Es war so wahnsinnig viel passiert in der letzten Zeit. Vor einer Weile war Thomas mit seinen Jungs in Brasilien Weltmeister geworden. Ich war zwar nicht dabei gewesen aber es machte mich sehr stolz, dass er es gepackt hatte. Mein Schatz. Wir waren jetzt schon so lange zusammen und verheiratet, schon komisch in unserem Alter. Aber ich war glücklich. Was noch passiert war, war, dass Thomas und ich Eltern werden würden. Wir erwarteten nicht nur ein Kind. Nein, gleich zwei. Leon und Marie sollten sie heißen. Ja, richtig ein Junge und ein Mädchen würden uns bald zu einer richtigen Familie machen. Lange würde es nicht mehr dauern und das war auch gut so. Auf dauer wurde das echt anstrengend.
Heute hatte Thomas mit einer Mannschaft ein Heimspiel und ich begleitete ihn, da ich ja nicht wirklich viel machen konnte. Gut ging es mir nicht, aber ich konnte mich ja ausruhen wenn wir wieder zu Hause waren. Die erste Halbzeit neigte sich dem Ende zu und Bayern lag hinten. Es sah nicht gut aus und das Spiel war echt spannend. Ich versuchte es so gu t ich konnte zu verfollgen. Ich hatte Schmerzen und es hörte nicht auf. Verdammter Mist. Aber ich würde jetzt auch nicht einfach gehen ohne dass Thomas das wusste.

Ich durfte nicht behaupten, dass ich zu hundert Prozent auf das Spiel konzentriert war. Es war nicht unwichtig, aber es gab eine Sache, die mir deutlich wichtiger war und bestimmt weit über die Hälfte meiner Gedanken betraf: Lisa und unsere ungeborenen Kinder. Dementsprechend hatte ich mir schon ein paa Fehler geleistet und das ganze Spiel lief alles andere als rund. Wir lagen hinten, Guardiola fluchte und einige schienen, als haben sie das Spiel in der ersten Halbzeit bereits abgeschrieben.
Irgendwie schafften wir es kurz vor Beginn der Nachspielzeit eine Ecke zu erkämpfen, die ich ausführen sollte. Ich atmete tief durch, stemmte die hände in die Seiten, sah mich nach meinen Mitspielern um und wartete auf den Pfiff. Es war kein schlechter Schuss, doch trotzdem ergab sich zu schnell eine wundervolle Kontermöglichkeit für den Gegner. Zum Glück nahm die Abwehr ihre Aufgabe wahr und brachte den Ball nach vorne. Arjen Robben war auf dem Weg Richtung Tor, doch seine Position war nicht die beste. Ich betete der Holländer würde abspielen und er tat es. Ich konnte die Flanke mit dem richtigen Fuß annehmen und schoß aufs Tor. Der Ball ging ins linke obere Eck. Ich warf einen Kuss zu meiner Frau. Das Tor war für sie - wie schon viele zuvor. Die letzte Aktion der ersten Halbzeit war der Abstoß mit einem Konter der Gegner, der am nun wieder Hoffunung schöpfenden Mittelfeld scheiterte. Der Schiedsrichter pfiff ab und ich lief zu meiner Lisa. "Hey, mein Schatz. Alles okay?" fragte ich noch etwas außer Atem.

Die Halbzeit war schon so gut wie abgepfiffen als die Bayern-Jungs noch eine Ecke bekamen, die mein Thomas ausführte. Ich drückte ihm die Daumen. Den genauen Verlauf dann nahm ich nicht mehr wahr, aber irgendwie war Thomas wieder am Ball und verwandelte das Ding. Ich sprang auf, jubelte, was nicht gerade der beste Einfall war. Diese Schmerzen waren unfassbar. Ich setzte mich lieber wieder. Dann nahm ich noch die Geste von Thomas war. Er war so süß.Ich wusste, dass er mir gerne mal ein Tor widmte und fand das echt süß von ihm. Er war wirklich ein wunderbarer Mann und ich liebte ihn über alles. Er war mein erster Freund gewesen und nun war er mein Ehemann. Als endlich abgepfiffen wurde, kam Thomas zu mir.
"Geniales Tor, mein Schatz."lobte ich ihn, bevor ich seine Frage beantwortete. Dann seufzte ich. "Naja, es geht so. Irgendwie habe ich Schmerzen, aber mach dir keine Sorgen um mich. Das geht bestimmt bald wieder weg und ihr spielt eine gute zweite Halbzeit okay?" sagte ich und lehnte mich zu ihm um ihn zu küssen. Kurz danach zog wieder ein Schmerz durch meinen Körper. "Oh Mist..." murmelte ich. "Du, Thomas... Ich glaube unsere Kleine haben es eilig. Ich glaube meine Fruchtblase ist geplatzt...." sagte ich und sah ihn etwas ängstlich an. "Du kommst doch nach dem Spiel ins Krankenhaus oder?" fragte ich und sah ihn bittend an. Ich wollte nicht die ganze Zeit ohne ihn sein, wenn Leon und Marie kamen.

Ich lächelte, doch mein Lächeln wich schnell dem selben besorgten Gesichtsausdruck, den ich gezeigt hatte, als ich meine Frage stellte. "Vielen Dank, Schatz." sagte ich trotzdem. "Ein geniales Tor, das ich gerne meiner noch viel besseren Ehefrau widme." lächelte ich. Obwohl sie sagte, dass ich mir keine Sorgen machen sollte, erweckten ihre Worte eher gegenteilige Gefühle in mir oder verstärkten derartige, die schon vorhandne waren. Natürlich machte ich mir Gedanken um die drei. Um meine Frau noch mehr als um die Kinder, aber doch um alle - und zwar schreckliche. "Besser zu spielen als in der ersten sollte gar nicht mal so schwerfallen." stellte ich fest. Ich erwiderte den Kuss sanft.
Leider erwiesen meine Sorgen sich als berechtigt. "Lisa - ich lass dich doch nicht allein ins Krankenhaus fahren." beschwerte ich mich. Auf was für Ideen kam sie denn? "Ich kann jetzt nicht Auto fahren, aber vorm Stadion ist bestimmt irgendein Taxi. Ein Krankenwagen dauert mir zu lange." sagte ich. Ob das vernünftig war? Keine Ahnung. "Warte kurz, ich sag dem Trainer, dass er jemanden einwechseln muss und dann verschwinden wir. Am besten durch hier unten lang. Ich will mich nicht mit dir durchs Stadion kämpfen, mein Schatz." erklärte ich. Dann drehte ich mich auf dem Absatz um und lief zum Trainer, dem ich die Situation so knapp wie es ging erklärte. Danach sprach ich einen Ordner an, damit der Lisa vorsichtig zu mir runter half. Verdammt, warum musste das jetzt passieren? "Hättet ihr kleinen Schlingel nicht eine gute Stunde mehr Geduld haben können?" murmelte ich.

"Du bist so süß, Thomas. Dass du solche Tore immer mit widmest. Das habe ich gar nicht verdient." sagte ich und strich durch sein Haar. Natürlich hatte er schon ein wenig geschwitzt. Aber das störte mich gar nicht. "Ach, du hast die Sache doch gerettet. Die zweite Halbzeit wird super." erklärte ich. Doch die Schmerzen ließen nicht nach.
Das war typisch Thomas, dass er schon fast beledigt klang. Er erklärte mir, was sein Plan war. Ich nickte nur. Es war wohl das beste, wenn wir es so machten. Gerade jetzt in der Halbzeitpause war hier die Hölle los. Alle Zuschauer wollten sich die Beine vertreten oder etwas zu trinken holen. Bis wir hier raus waren, war das erste Kind vermutlich schon da. Einer der Ordner half mir runter und ich stützte mich auf Thomas' Schultern. "Wieso muss das so weh tun?" jammerte ich. "Tut mir leid, dass du nicht weiter spielen kannst. Es tat schon die ganze Zeit weh, aber ich hatte gehofft, dass ich das Spiel noch durchhalte." murmelte ich. Langsam gingen wir am Rand des Feldes entlang und Thomas Kollegen wünschten uns Alles Gute. Lieben denen, aber ich beachtete es kaum. Ich versuchte lieber ruhig zu atmen. Ich war doch irgendwie froh, dass Thomas dabei war. Wir fanden tatsächlich ein Taxi. Ich stieg hinten ein und überließ Thomas das reden. Die Fahrt überlehnte ich meinen Kopf an seine Schulter. "Ich will, dass es vorbei ist..." sagte ich leise. Natürlich freute ich mich auf die Kleinen, aber ich wusste auch, dass der Schmerz schlimmer werden würde.

"Natürlich hast du das verdient. Das ist doch nur eine Kleinigkeit und ich liebe dich, mein Schatz." sagte ich. Sie strich durch mein Haar. Es schien sie nicht zu stören, dass ich verschwitzt war. Wahrscheinlich hatte sie sich in den letzten Jahren an diesen Anblick gewöhnt. Und wie es sich in den nächsten Momenten herausstellte, sollte ich es in dieser Halbzeit nicht unter die Dusche schaffen. Ich griff mir nur meinen Pullover von der Bank während ich auf den Trainer und seinen Kollegen einredete um eine Erkältung zu vermeiden. So schnell wie irgendwie möglich war ich zurück bei meiner Lisa und stützte sie. "Ich weiß es nicht, es tut mir leid, Schatz." murmelte ich. Netterweise hatten Miro und Jerome - beide Väter süßer Zwillinge - mich vorgewarnt, dass die Geburt beim ersten Kind ewig dauern konnte. Ich seufzte bei dem Gedanken. Konnten die nicht einfach da sein? Warum musste das so kompliziert sein? Wenn wir uns die Schmerzen wenigstens teilen könnten ( denn sie allein ertragen, ja das wünsche ich mir nun auch nicht unbedingt). "Lisa, das Spiel ist egal. Und wenn wir verlieren - wen interessiert das?" sagte ich. Meine Kollegen wünschten und alles Gute und irgendwer hielt uns die Tür auf. Zum Glück fanden wir ein Taxi, das ich ungeduldig näher winkte. Lisa ließ mich reden und ich erklärte dem Fahrer unsere ungünstige Situation. Während der Fahrt strich ich sanft durch das Haar meiner Ehefrau. "Alles wird gut, Schatz." sagte ich. Auch mir selber musste ich das einreden. Unglaublich lang kam mir die Fahrt vor, dabei war ich nicht mal derjenige, um den es ging.

"Ich liebe dich auch, mein Held." Das warer wirklich. Er hatte schon so vieles erreicht und ich war so unglaublich stolz auf meinen Mann. Ich war froh als Thomas wieder da war und mir half. "Deine Fans, deine Mannschaft, deinen Trainer. Die interssiert es, wenn ihr verliert." meinte ich. Mir war das jetzt ehrlich gesagt egal.Ich würde heute noch zwei kleine Kinder auf die Welt bringen. Okay, wenn es wirklich so lange dauerte, wie man immer sagte würde es vielleicht auch noch morgen werden. Ich hoffte es aber ehrlich gesagt nicht. Der Schmerz konnte ruhig früher vorbei sein. Ich war froh, dass wir einigermaßen gut raus kamen und nicht noch irgendwelche Reproter irgendwas von uns wollten. Es würde so schon genug SPekulationen geben, wieso Thomas ausgewechselt wurde,wo er doch gerade ein Tor gemacht hatte. Aber wenn das alles vorbei war, würden wir es auch öffentlich machen. Ich wollte zwar nicht, dass gleich Bilder der zwei im Netz landeten, aber wir bekamen das schon hin und gerade war das auch meine kleinste Sorge.
Auf der Fahrt war Thomas für mich da und irgendwann war es vorbei und er musste mir helfen auszusteigen. Wir schafften es ins Krankenhaus und sofort war das jemand, der sich kümmerte. "Hallo. Mein Name ist Dr. Schmidt. Ich kümmere mich jetzt um sie. Ist das ihr erstes Kind?" Ich nickte. "Aber es sind zwei. Junge und Mädchen..." sagte ich und sah zu Thomas. Ich wollte ihn mit diesem Blick sagen, dass er bei mir bleiben sollte.

"Aber das interessiert mich doch nicht, was die denken. Dieses eine Spiel ist unwichtig verglichen mit einer Familie. Das sollten die verstehen." meinte ich. Überhaupt war Lisa mir wichtiger als alles andere auf dieser Welt. Fußball war meine Leidenschaft, aber Lisa war mein Leben. Wahrscheinlich würde die Presse wilde Spekulationen über mein Verschwinden und den Wechsel veröffentlichen. In Zeiten des Internets machte soetwas viel zu schnell die Runde. Den Trainer hatte ich gebeten, keinen genaueren Grund anzugeben, als das ich aus privaten Gründen verhindert war. Ich war der Meinung, er musste damit umgehen können, das sowas mal passierte und ich hatte nicht vor dafür zu sorgen, dass es öfter vorkam. Diesen Stress brauchte ich nicht nochmal und da es nun gleich zwei Kinder wurden, reichte das doch auch für eine Familie. Zumal ich auch ohne Kinder mehr als glücklich gewesen war und die zwei würden meinem Leben mit Lisa noch die Krone aufsetzen. Ich half ihr aus dem taxi und bezahlte viel zu viel, aber in dem Moment war mir das verdammt egal. Und bei einem Milliongehalt, was ich bekam, war das auch wirklich nicht das Problem. Davon hatte ich in diesem Moment genug andere. Es kam zum Glück ein Arzt, der versprach sich zu kümmern und sich vorstellte. Lisa erzählte ihm von der bevorstehenden Zwillingsgeburt und ich nickte lediglich bekräftigend und stand blöd rum, war aber gewillt keinen Zentimeter mehr als nötig von ihrer Seite zu weichen.

"Okay." sagte ich nur. Was sollte ich noch groß zum Verlauf des Spiels sagen. Mir war es erst einmal wichtiger, dass Leon und Marie sicher das Licht dieser Welt erblickten. Thomas wich im Krankenhaus nicht von meiner Seite,wofür ich ihm sehr dankbar war. Der Arzt nickte und bat uns mitzukommen. Ich ließ mir wieder von Thomas helfen und war froh, als ich mich endlich auf das Bett legen konnte. "Wir werden nochmal gucken, wie es ihren zwei Kleinen geht. Und dann sorgen wir dafür, dass sie sicher zu uns kommen. Sie schaffen das schon." erklärte der Arzt und ich nahm Thomas Hand. Wow, das alles machte mir jetzt schon ein wenig Angst, wenn ich ehrlich war. "Ich liebe dich, Schatz." sagte ich zu meinem Mann und drückte seine Hand. Ich hoffte er konnte wirklich die ganze Zeit bei mir bleiben. Ich wollte diesem Moment mit nur einer Person teilen und das war er.Okay, der Arzt war auch nötig, aber Thomas war mir wichtiger. Der Arzt wandte sich an ihn. "Eine Schwester wird Ihnen einen Stuhl holen, dann können Sie sich zu Ihrer Frau setzen." sagte er. Ich beachtete es kaum. Auch die Untersuchung beachtete ich nicht. Ich versuchte nicht an den verdammten Schmerz zu denken und sah einfach nur Thomas an. "Was glaubst du? Wer kommt zu erst Leon oder Marie?" fragte ich ihn um mich selbst von der Aufregung und den Schmerzen abzulenken. Dann aber sah ich doch zum Arzt. "Ist alles klar? Und dauert das noch lange? Es tut weh...."